Donnerstag, 23. Juli 2015

14. Tag - 23. Juli 2015 - Kamele, schwarze Finger und Samaritertum


Strecke: Greene - Freden - Alfeld - Brüggen - Gronau - Eime - Gronau - Elze - Nordstemmen - Sarstedt

gefahrene Kilometer: 68 km
Gesamtstrecke: 540 km
Wetter: bewölkt, etwas Rückenwind, 23 Grd., gegen Abend heiter



ein Zug folgt auf den anderen
Die Nacht im Landhotel Greene ist nicht so berauschend: Das Zimmer liegt zur Hauptstraße mit starkem Lkw-Durchgangsverkehr - entsprechend laut ist es, aber das Fenster zu schließen geht auch nicht, da ich dann ersticke. Gleichwohl habe ich offensichtlich auch ein bisschen geschlafen, denn ich bin rechtzeitig wach, um schon um 7:15 Uhr zum Frühstück zu gehen. Ich ratsche noch ein wenig mit der Frühstücks-Bedienung und bin schon um 8:00 Uhr wieder auf der Piste. Da ich gestern in Laatzen kein Zimmer gefunden habe, ist das heutige Ziel Sarstedt mit dem Sarstedter Hof einige wenige Kilometer vor Laatzen. Das Radeln lässt sich gut an: Schöne Wege direkt neben der ehemaligen Nord-Süd-Strecke der Bahn abseits von den Autostraßen. Dafür jagt ein Zug den anderen; die fahren wohl tatsächlich auf Blockabstand - hauptsächlich sind es Güterzüge, teilweise in Doppeltraktion. Und die Güterzüge machen - je nach Waggonmaterial - teilweise einen infernalischen Lärm. Ich passiere Freden, nach einem dort aufgestellten Banner "die Perle des Leinetales". Warum das so ist, kann ich nicht feststellen.

Jungkamele erkunden mich und die Ausrüstung
Nach 20 Kilometern verfahre  ich mich in Alfeld und muss, um auf die andere Seite der Bahn zu kommen, das Toxy die Bahnhofstreppen runter- und auf der anderen Seite wieder hinauf wuchten. Die Aufzüge sind wegen Wartungsarbeiten gesperrt. Ich fahre parallel zur Bahnstrecke und stoße plötzlich auf zwei große Kamele (mit zwei Höckern) und zwei Jungkamele. Die Großen sind angebunden, die Jungen laufen frei herum und sind neugierig. Sie kommen angetrabt, umrunden das Toxy und mich. Eines der beiden neugierigen Tiere fängt an, mich am Ohr zu schlecken (feucht), das andere versucht, das Ende meines Wimpels zu fressen und die Gepäcktaschen an zu knabbern. Übrigens: die Tiere gehören zum Circus Atlantik, der hier in Ahlfeld sein Gastspiel gibt. Bevor die zutraulichen Jungtiere auch mich verspeisen möchten, fahre ich weiter, gönne mir dann aber mit Blick auf die Bahn eine längere Pause - ich habe ja genug Zeit heute, so glaube ich zumindest.

Nach einigen weiteren Kilometern gibt es bei einer kurzen Bergauffahrt einen fürchterlichen Ruck, und die Tretkurbel dreht leer durch: Die Kette ist gerissen.  "So ein Mist" ist mein erster Gedanke. Dann nehme ich alle Taschen ab und suche das Werkzeug, das natürlich ganz unten in der Gepäcktasche ist. Mit dem Nietendrücker entferne ich das defekte Kettenglied und baue das Kettenschloss ein, das ich für alle Fälle als Ersatz dabei habe. Meine Finger und Hände sind von der Schmiere der Kette ganz schwarz und lassen sich mit einem Lappen nur notdürftig vom ärgsten Schmutz befreien. Als ich weiter fahre, merke ich, dass die Kette leicht verdreht ins Schutzrohr eingezogen wird und auch so wieder herauskommt. Da habe ich die Kette wohl auch verdreht zusammengebaut (so etwas passiert auch nur einem Maschinenbauingenieur). Das Kettenschloss kann ich nicht mehr öffnen, also muss es bis zum nächsten Fahrradladen auch so gehen. Und es funktioniert, ich habe aber Bedenken, dass die Beanspruchung der Kettenglieder so auf Dauer zu hoch sein wird. In Brüggen gibt es keinen Fahrradladen, aber in Gronau. Der Inhaber dort ist zwar sehr freundlich, vermag mir aber nicht zu helfen, da das "zu kompliziert" ist und er keine Zeit hat. Ich solle zu einem Laden in Eime fahren, da sind genügend Monteure.
Leinebrücke - irgendwo unterwegs

Das bedeutet für mich rund acht Kilometer Umweg, aber ich fahre dort hin. Beim Fahrradfachgeschäft von Rolf Beining nimmt sich ein netter  junger Mann des Liegerades - trotz Mittagspause - an, eine Mitarbeiterin plaudert derweil ein wenig mit mir. Ich bekomme von ihr einen frisch gebrühten Kaffee. Und last but not least bietet mir der Chef von sich aus an, dass ich meine schwarzen Hände mit Handwaschpaste waschen darf. Insgesamt kostet die Reparatur 20 Euro. Ich finde, dass das ein toller und unkomplizierter Service ist!

Ich fahre den Weg zurück nach Gronau und verfolge dann wieder den Leine-Heide-Radweg auf hauptsächlich geschotterten, aber dafür autofreien Pisten. Das ändert sich in Elze, ab hier fahre ich parallel zur B1 auf einem Radweg durch hügeliges Mittelgebirgsland. Vor mir winkt plötzlich ein Radfahrer, der offensichtlich eine Panne hat. Er hatte einen Platten, aber eine falsche Luftpumpe. Er bittet mich, ob ich ihm meine leihen könne. Da ich heute noch keine gute Tat absolviert habe, packe ich alles vom Liegerad ab und wühle mich wieder bis zum Grund der Packtasche durch, um die Luftpumpe zu finden. Der Mann ist begeistert und kann endlich seinen Reifen aufpumpen. Er erzählt mir, dass er mit seiner Frau, die er voraus geschickt hat, um eine neue Luftpumpe zu besorgen, auf dem Weg von Frankfurt nach Dahme an der Lübecker Bucht ist.
Schloss Marienburg

Ich bin noch nachträglich von meinem Samaritertum so begeistert, das ich die Wegweisung übersehe (vielleicht war aber auch keine da), und verfahre mich mal wieder. Glücklicherweise kein großer Schaden - ich bin nun auf einem Feldweg unterhalb des imposanten Schlosses Marienburg, das Mitte des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil erbaut wurde. Ich verlasse jetzt den Leine-Heide-Radweg und fahre die letzten 10 Kilometer den direkten Weg nach Sarstedt, um zu meinem Hotel, dem Sarstedter Hof, zu gelangen. Hier treffe ich gegen 17 Uhr ein und kann endlich duschen. Ich wasche ein paar Klamotten und gehe dann essen. Bei einem Griechen schaffe ich nur gut zweidrittel des Gebotenen. Wenn das so weitergeht, werde ich wohl bald auf Seniorenteller umsteigen müssen.

1 Kommentar:

  1. Hallo Vater, schön daß Du das Toxy wieder flott gekriegt hast... das hat bestimmt eine Menge Frust verursacht. Weiterhin gute Fahrt!

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